"Zwei Geister müssen wollen, was zwei Körper können" (Bent Branderup)
Aber was, wenn einem der eigene Geist im Wege steht? Wenn man immer wieder an Blockaden stößt und keinen Weg um die Mauer herum findet? Dann hilft es manchmal, zwei Schritte zurück zu gehen und zu schauen, ob man nicht drüber klettern, sich drunter durchgraben oder in kleinen Schritten dran vorbei gehen kann.
Mein Unterricht ist geprägt von der akademischen Reitkunst aber auch von Erfahrungen mit einem nicht ganz so gut funktionierenden Körper. Weder die Pferde haben einen Körper nach Lehrbuch, noch wir. Jeder bringt seine Erfahrungen mit, gute wie schlechte und jeder geht anderes mit ihnen um. Manchmal ist die Mauer in unserem Kopf, manchmal manifestiert sie sich in unserem Körper. Auf jeden Fall kann man sie nicht einfach beiseite tun und erwarten, dass Schema F auch für Person Z funktioniert.
Vor vielen Jahren habe ich einen Spruch gelesen, der mich immer noch zum Schmunzeln aber auch zum Nachdenken bringt "Erwachsen sein ist halb gestorben" . Als Kind erschließt man sich spielerisch die Welt und wird dazu ermutigt, Dinge auszuprobieren; eigene Erfahrungen zu machen. Erwachsene näheren sich einem Problem selten spielerisch, sondern zerlegen es in Einzelteile. Aber warum nicht mal einen anderen Weg probieren?
Mit vier Jahren bin ich das erste Mal vom Pony gefallen und die Narbe trage ich heute noch ^^ Es folgten harte Lehrjahre mit unerbittlichen Meistern: Ponies, die genau wussten ob sie unter dem Zaun durchpassten, Durchgänger, Schläger...Problempferde. Die Pferde, die kein anderer reiten wollte und wo ich fürs Reiten nicht bezahlen musste. Jedes Pferd hatte einen Grund für sein Verhalten, meistens purer Selbstschutz. Jedes Pferd hat mir eine Lektion erteilt und Erfahrungen geschenkt, für die ich unendlich dankbar bin.
Mit Franz hat alles begonnen: Nachdem ich ihn in 2016 übernommen hatte, brachten uns seine körperlichen Probleme 2017 zur akademischen Reitkunst. Für ihn habe ich vollkommen neu Reiten gelernt und ohne die Bodenarbeit nach Bent Branderup®, hätte er sich wahrscheinlich nicht so lange so gut bewegen können. Er ist für mich persönlich das beste Beispiel dafür, was sinnvolle Gymnastik leisten kann. Laut seinen Röntgenbildern hätte er sich nämlich nicht so frei bewegen können. Nein, leicht war die Ausbildung nicht, gerade weil Franz alles hinterfragt hat und uns sein Körper immer wieder vor Aufgaben gestellt hat. Das Cushing haben wir durch ein gutes Futtermanagement so unter Kontrolle gebracht, dass er sogar 24 Stunden auf (gepflegten) Weiden verbringen konnte. Eine hervorragende Hufbearbeitung hat ihm trotz Hufknorpelverknöcherung und Krongelenksarthrosen einen festen taktklaren Gang ermöglicht.
Um besser zu verstehen, was in seinem Körper passiert, habe ich 2021 die Ausbildung zur Osteopathin begonnen. Und natürlich auch, um den Kaiser Franz besser massieren zu können. Ätherische Öle waren auch ganz nach seinem Geschmack und rundeten für ihn eine Massage ganz nach seinen Vorstellungen ab.
Letztendlich verloren wir im August 2022 jedoch den Kampf gegen den Krebs; Metastasen hatten die Wirbelsäule erreicht und wir haben ihn in Würde gehen lassen. Er ist unvergessen, zu Lebzeiten durch seine Mimik schon eine Legende und ich bin mir sicher, dass er seine Hufe im Spiel hatte, dass mir nun die kleine Marismeña zur Seite steht.
Marismeña ist meine kleine Punklady. 2019 geboren ist die Cruzado Stute schon jetzt eine Persönlichkeit! Talent und Mut wurden ihr in die Wiege gelegt, nur die Geduld ist noch nicht ihre Stärke. Aktuell lernt Sie die Grundlagen der akademischen Bodenarbeit und alles, was ein Pferd im Alltag kennen muss.
Zafira ist seit 2019 meine Reitbeteiligung. Die wunderschöne Lusitano Dame ist mein Lehrmeisterin, was die Arbeit mit meinen Energien angeht. Reiten war für sie keine angenehme Sache und es hat lange gedauert, bis sie Vertrauen in den Reiterschenkel fassen konnte. Wir haben lange am Boden gearbeitet und nun schenkt sie mir im Sattel mehr, als ich jemals zu hoffen gewagt habe. Von ihrer Besitzerin, meinem Mann und mir innig geliebt, wächst sie immer mehr über sich hinaus und begleitet mich seit dem letzten Jahr sogar auf Lehrgänge.